60 Prozent aller Deutschen erleben es: Warum erscheinen uns Verstorbene im Traum so real?

Was bedeutet es, wenn du davon träumst, mit jemandem zu sprechen, der nicht mehr lebt?

Du wachst auf, dein Herz schlägt schneller, und der Traum ist noch völlig lebendig. Gerade eben hattest du ein intensives Gespräch mit einer verstorbenen Person – vielleicht mit deiner Großmutter, einem alten Freund oder einem geliebten Angehörigen. Diese faszinierenden „Besuchsträume“ sind weit verbreiteter, als man denkt, und machen nicht nur dich neugierig: Auch die Wissenschaft beschäftigt sich intensiv mit ihnen.

Die Wissenschaft hinter den Besuchsträumen

In der psychologischen Fachliteratur werden diese Träume häufig als Besuchsträume oder Visitation Dreams bezeichnet. Ein führender Experte auf diesem Gebiet ist der kanadische Psychologe Dr. Joshua Black. Seine Studien zeigen, dass etwa 60 Prozent der trauernden Menschen innerhalb der ersten Monate nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen mindestens einen solchen Traum erleben.

Besuchsträume sind außergewöhnlich lebhaft und emotional intensiv. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie – im Gegensatz zu vielen anderen Träumen – jahrelang im Gedächtnis bleiben.

Was passiert im Gehirn bei einem Besuchstraum?

Obwohl es bisher nur wenige neurologische Studien zu diesen Träumen gibt, zeigen viele Untersuchungen, dass im REM-Schlaf insbesondere die Bereiche des Gehirns aktiv sind, die für Emotionen und Gedächtnisbildung zuständig sind. Dies umfasst das limbische System und die Amygdala. Kein Wunder also, dass diese Träume so eindrucksvoll wirken – hier verarbeitet unser Gehirn Emotionen, die wir tagsüber oft nicht ganz begreifen können.

Vier Hauptformen von Besuchsträumen

Forschende wie Joshua Black und Agnès Mellon haben Besuchsträume in Kategorien eingeordnet, die uns helfen, unsere Emotionen zu verarbeiten, auch wenn sie sich im Inhalt unterscheiden:

1. Der Trostspender-Traum

Hier vermittelt die verstorbene Person ein Gefühl von Linderung und Frieden. Oft werden beruhigende Sätze wie „Mir geht es gut“ ausgesprochen. Diese Träume helfen dabei, Schuldgefühle zu mildern und inneren Frieden zu finden.

2. Der Ratgeber-Traum

In diesen Träumen erscheint die verstorbene Person als Ratgeberfigur. Sie gibt Hinweise, wie du mit aktuellen Problemen umgehen kannst, wobei dein Gehirn auf die Werte, Erfahrungen und Weisheiten dieser Person zurückgreift.

3. Der Abschiedstraum

Diese Art von Traum beinhaltet einen bewussten Abschied, besonders wichtig bei plötzlichen Todesfällen oder ungeklärten Situationen. Sie unterstützen das Loslassen und das emotionale Abschließen, wenn dies im Wachleben schwierig war.

4. Der Alltagstraum

Hier ist die verstorbene Person Teil einer alltäglichen Szene – vielleicht kocht ihr zusammen oder unterhaltet euch beiläufig. Diese Träume treten häufig auf, wenn die Alltagsnähe besonders vermisst wird.

Ein Werkzeug der inneren Heilung

Obwohl die Vorstellung eines Kontakts ins Jenseits nicht wissenschaftlich belegbar ist, zeigen Studien, dass solche Träume oft ein Bewältigungsmechanismus unseres Gehirns sind. Die anerkannte Traumforscherin Dr. Deirdre Barrett beschreibt Träume als eine Form innerer Problemlösung, besonders in emotional herausfordernden Zeiten.

Emotionale Verarbeitung im Schlaf

Besuchsträume treten häufig an emotional bedeutsamen Tagen auf – sei es an Geburtstagen oder in intensiven Trauerphasen. Es scheint, als fungiere unser Gehirn dabei wie ein emotionaler Kalender, der festhält, wann zusätzliche Unterstützung notwendig ist.

Trauer, Schuld und die Symbolsprache der Träume

Das Erleben des Todes eines geliebten Menschen geht oft mit unverarbeiteten Schuldgefühlen einher. Besuchsträume können hier wie eine innere Aussöhnung wirken, indem sie Verständnis, Wärme und Vergebung vermitteln.

Kulturelle Vielfalt und spirituelle Deutungen

In vielen Kulturen gelten solche Träume als spirituelle Begegnungen. Zum Beispiel bei vielen indigene Völker, in afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Traditionen werden sie oft als Botschaften aus der geistigen Welt gesehen. Die tröstende Wirkung solcher Träume bleibt jedoch überall erstaunlich ähnlich.

Warum manche Menschen häufiger solche Träume erleben

Deine emotionale Empfänglichkeit

Personen mit ausgeprägter emotionaler Wahrnehmung und hoher Traumerinnerungsfähigkeit berichten häufiger von diesen Träumen. Auch sensiblere Menschen reagieren hier empfindlicher auf Verlustereignisse.

Die Tiefe der Beziehung

Je intensiver die emotionale Bindung zur verstorbenen Person war, desto eher kommt es zu solchen Träumen. Dies zeigt, dass Beziehungen auch nach dem Tod tief verankert bleiben.

Unerledigte emotionale Angelegenheiten

Keine Verabschiedung, kein Klärungsgespräch, und schon entsteht ein Gefühl von „Unvollendet-Sein“. Unser Unterbewusstsein versucht nachts, ungelöste emotionale Themen anzugehen – Besuchsträume können dabei ein Teil dieses Prozesses sein.

Die heilende Kraft der nächtlichen Begegnung

Studien haben gezeigt, dass solche Träume die Trauerbewältigung unterstützen. Viele fühlen sich weniger allein oder verzweifelt. Die französische Forscherin Agnès Mellon fand heraus, dass solche Träume dabei helfen, eine gesündere Beziehung zum Verlust zu entwickeln.

Was echte Besuchsträume auszeichnet

  • Der Eindruck, dass der Traum lebendig und real ist
  • Die verstorbene Person erscheint friedlich und gesund
  • Der Traum hat eine klare emotionale Botschaft
  • Er bleibt lange in Erinnerung
  • Ein Gefühl von Trost und Ruhe nach dem Aufwachen

Was tun, wenn dich solche Träume verunsichern?

Besuchsträume können auch verunsichern oder Traurigkeit hervorbringen. Es gibt jedoch Strategien, mit diesen Emotionen umzugehen:

Führe ein Traumtagebuch

Aufzeichnungen helfen beim Verarbeiten und machen Muster sichtbar. Du entdeckst, zu welchen Zeiten oder Themen solche Träume häufiger auftreten.

Rede darüber

Teile deine Erlebnisse mit vertrauenswürdigen Menschen. Viele kennen ähnliche Erlebnisse. Dieser Austausch kann entlastend und stabilisierend wirken.

Sieh sie als Teil deines Heilungswegs

Akzeptiere diese Träume als natürliche Reaktion deiner Psyche. Sie zeigen, dass dein Innerstes aktiv daran arbeitet, dich zu entlasten und zu stärken.

Eine stille Botschaft der Verbindung

Besuchsträume sind kein paranormales Phänomen, sondern ein Ausdruck, wie fantastisch unser Gehirn arbeitet. Sie helfen, innere Konflikte zu lösen und den Verlust zu verarbeiten, während sie unsere emotionalen Bindungen nachvollziehbar machen.

Denke an den Traum von deinem verstorbenen Vater, der dir lächelnd gegenübersteht, oder an deine Oma, die liebevoll Essen kocht. Nimm diese Erlebnisse als das, was sie sind: liebevolle Besuche deines Innersten. Sie erinnern dich daran, dass ein geliebter Mensch in Gedanken, Gefühlen und manchmal auch in Träumen weiterlebt.

Welche Art von Besuchstraum hast du erlebt?
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